Schlechte Aussichten
Schwerin ist Landeshauptstadt und Gastgeber der Bundesgartenschau 2009. Zwei Millionen Besucher werden erwartet – während der einstige Vorzeigestadtteil Mueßer Holz verödet.
Und wieder ist einer weg. Abgehauen, ohne eine Nachricht. Vielleicht sitzt er auch, wer weiß. Immerhin hat er die Schlüssel mit der Post geschickt. So mussten sie wenigstens nicht die Tür aufbrechen. Klaus-Peter Kretzschmer steht in der verwaisten Wohnung und schaut sich um. Vor dem zerfetzten Sofa vollgestopfte Mülltüten, das Bett unter einem Haufen Unrat verschüttet. Der Boden klebt, vermutlich Bier, so riecht es auch. In der Küche reihen sich leere Flaschen.
Klaus-Peter Kretzschmer, ein stämmiger Mann mit graublondem Schnurrbart, 59 Jahre, Sachbearbeiter der Wohnungsgesellschaft Schwerin, zückt seinen Stift und notiert: Die Türen eingetreten, die Tapete beschmiert. Ins Bad mag er gar nicht erst hineingehen. „Wir haben immer wieder solche Fälle“, sagt er. „Die Mieter kommen mit den Zahlungen in Verzug, vielleicht haben sie noch Ärger mit der Polizei oder Suchtprobleme. Auf einmal sind sie weg, und wir bleiben auf den Kosten sitzen.“
In den 80er Jahren war die Plattenbausiedlung Mueßer Holz im Südosten Schwerins der Stolz der DDR-Bürokraten. Eine planvoll angelegte Wohnstadt für die Arbeiter der Plastemaschinenwerke und Lederfabriken. Maximal sieben Minuten sollte der Arbeiter von hier aus brauchen, um zum Bäcker oder zur Bushaltestelle zu kommen, sieben Minuten die Kinder bis zur nächsten Schule. Mueßer Holz war der jüngste von drei modernen Prestige-Stadtteilen im Plattenbaustil. „Hier eine Wohnung zu bekommen, das kam einer Auszeichnung gleich“, sagt Kretzschmer. Im Norden liegt der Schweriner See, ringsum stehen dichte Wälder. Er selbst gehörte zu den Glücklichen damals, bekam eine Wohnung für sich, die Frau und die Kinder. Das ist lange her.
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